Queer BDSM

Der Gebrauch des Begriffs BDSM setzt sich als Selbstbezeichnung in der (BD)SM-Szene immer mehr durch, da er erstens der großen Heterogenität der Praktiken eher gerecht wird und sich zweitens von der alltagssprachlichen und pathologischen Verwendung des Begriffs SM distanziert.

Eine allgemein gültige Definition von BDSM ist schwierig. In seinem SM-Handbuch versteht Jay Wiseman unter BDSM den »Gebrauch von psychologischer Dominanz und Submission [Unterwerfung] und/oder körperlicher Fesselung und/oder Schmerzen und/oder verwandten Praktiken auf eine sichere, legale, konsensuelle [einvernehmliche] Weise, um den Beteiligten erotische Erregung und/oder persönliches Wachstum zu ermöglichen«.

Das Akronym BDSM steht dabei für: Bondage, Discipline, Dominance & Submission (DS), Sadism & Masochism, also für Fesselungspraktiken, Disziplinierungspraktiken, Dominanz und Unterwerfung/Hingabe, Sadismus und Masochismus. Sadomasochismus im engeren Sinne besteht im Zufügen bzw. Entgegennehmen körperlicher Schmerzen, während im Kern von D/S -Praktiken ein selbst gewähltes Machtgefälle steht, das Teilnehmende in Top und Bottom differenziert: Das Bottom gibt dem Top die Kontrolle über das Geschehen während einer Szene, während des Spiels. Die Rollen Top und Bottom können unabhängig des jeweiligen Geschlechts oder anderer sozialer Positionen der Spielenden gewählt werden. Weit verbreitet ist auch der Rollentausch, das so genannte Switchen, das verdeutlicht, dass eine Person nicht auf eine Rolle festgelegt sein muss; Switches nehmen mal die Rolle des Tops, mal die des Bottoms ein.

Fundamental für BDSM ist das Prinzip der Einvernehmlichkeit, das in Schlagworten wie safe, sane & consensual (sicher, mit gesundem Menschenverstand, einvernehmlich) oder RACK (risk aware consensual kink; etwa zu übersetzen als risikobewusste, einvernehmliche »perverse« Sexualpraktiken). Dieser Rahmen bildet die Grundlage, auf der BDSM stattfinden kann: Es geht um das Ausleben sexueller Phantasien, die man so im Alltag in der Regel nicht ausleben möchte oder kann.

Weiterführende Informationen zu BDSM finden sich in meinen Veröffentlichungen sowie in den zahlreichen Handbüchern zum Thema, die mittlerweile auf dem Markt erhältlich sind.

Bei der Rede von queerem BDSM kann sich »queer« entweder auf die sexuelle (queer, lesbisch, schwul, bisexuell, pansexuell, transsensual, …) oder geschlechtliche (trans*, gender queer, cross-dressend) Identität der beteiligten Personen beziehen, oder auf die ausgeführten Praktiken, insofern sie als nicht-heteronormativ zu bezeichnen sind, z.B. das Spielen mit Geschlecht.

Für meine Doktorarbeit habe ich die erste breit angelegte empirische Studie zu queeren BDSM Praxen durchgeführt. Ich habe 50 queere BDSMer_innen aus den USA und Westeuropa interviewt, vor allem selbstidentifizierte Lesben, bi/pansexuelle Frauen, Femmes, Butches, Genderqueers, Transfrauen und Transmänner, die sich in lesbischen und queeren BDSM-Kontexten bewegen. Dabei habe ich meine Interviewpartner_innen als Expert_innen zu ihren eigenen Identitäten, Praxen und Beziehungen adressiert. Die Auswertung erfolgte nach einer Variante der Grounded Theory, die Theorie aus den Daten zu entwickeln sucht. Die Studie lässt sich gleichermaßen in der Soziologie, den Gender Studies, Queer Studies und Transgender Studies verorten.

Die Ergebnisse dieser Studie finden sich in diversen Artikeln, meiner Doktorarbeit sowie dem darauf basierenden Buch Queer BDSM Intimacies – Critical Consent and Pushing Boundaries, Erscheinungsdatum Oktober 2014 bei Palgrave.

Queer BDSM